Der Neustart war schwierig. Zwar hatte man mit Oberlehrer Thumm rasch einen Chorleiter gefunden. Gleichwohl notierte Schriftführer Gottfried Hägele im Jahresbericht: „Was der Verein nach seiner Neugründung übernahm, war recht wenig. Die Vereinsfahne war nach dem Krieg spurlos verschwunden, Noten zum größten Teil wertlos, das Klavier kaputt ... das war das Erbe.“ Am 25. Januar 1950 wurde auf einer außerordentlichen Generalversammlung der Beitrag für aktive und passive Mitglieder auf 1,20 Deutsche Mark (DM) pro Vierteljahr festgesetzt. Für aktive Sportler, die gleichzeitig Sänger waren, beschloss die Versammlung die Beitragsreduzierung auf 75 Pfennig, sie galt auf Antrag auch für arbeitslose Sänger. In den 50-iger Jahren herrschte eine enge Kooperation des Gesangvereins mit dem Sportverein.
Woher Vorstand und Mitglieder bereits am 3. März 1951 den Mut und die Kraft nahmen, für den 8. und 9. Juli 1951 angesichts des schwierigen Neubeginns ein Sänger- mit Kinderfest anzusetzen, ist heute kaum mehr vorstellbar. Durch Ständchen bei Waldbesitzern konnten Holzspenden für die Festausstattung ersungen werden. Zum Fest war die Gemeinde mit Birken- und Tannenbäumen, Wimpel, Lampions und Girlanden geschmückt. Zehn Vereine wurden mit Böllerschüssen begrüßt. Es gab Festreiter, Festjungfrauen mit Festdamenführer Albert Feucht, Musikkapellen und einen Festwagen.
Das Fest hatte allerdings kaum begonnen, als es in einem Unwetter unterzugehen drohte. Zwar konnte das Gesangsprogramm noch abgewickelt werden. Wegen bedenklicher Wetterlage entschloss man sich, das Kinderfest zu verlegen. Allerdings hatte man vergessen, diese Nachricht nach Mittelrot zu übermitteln. Die Schulklassen aus Mittelrot erschienen mit Festwagen und großem Gefolge wie ursprünglich eingeladen und fanden den Festplatz verwaist vor. Es wurde jedoch aus der Not eine Tugend gemacht. Im Protokoll ist dies so vermerkt: „Sie veranstalteten ein Kinderfest für sich, schlimm war die ganze Sache nicht, denn ich glaube kaum, dass je in einer Chronik zu finden ist, dass Mittelrot ein Kinderfest in Fichtenberg abgehalten hat – eher eine große Ehre für uns.“
1953 wurde ein Flügel angeschafft. Zwei Jahre darauf, am 6. März 1955, beschloss die Generalversammlung die Gründung eines Gemischten Chors. Die Debatte muss lebhaft gewesen sein. Man wolle den Kirchenchor nicht verdrängen und es dürfe der Frauenchor nicht auf Kosten des Männerchors gegründet werden, hieß es. Schließlich einigte sich die Versammlung, nachdem der Dirigent erklärt hatte, den Chor zusätzlich zu übernehmen, „falls keine zu hohen Anforderungen der Frauen an ihn gestellt würden“. Die Umsetzung mit Probenbeginn erfolgte bereits Ende März 1955. Der erste Auftritt war schon am 1. Mai und am Ende des Vereinsjahres wurden die Jahresfeiern von den Frauen des Chores mitgestaltet. Jahresfeiern mussten wegen des hohen Zuspruchs und räumlicher Enge an zwei Abenden abgehalten werden. Es kam auch zuweilen wegen des hohen Andrangs zu einer spontanen weiteren Wiederholung.
Eine neue Vereinsfahne gab man im November 1957 bei Herrn Waldvogel in Enslingen/Kocher in Auftrag. Als Wahlspruch wurden die Zeilen „Rein im Sange, wahr im Wort, treue Freundschaft immerfort“ eingestickt. Die Fahnenweihe fand im Rahmen des 50-jährigen Jubiläums vom 26. bis 28. Juli 1958 statt. Der Liederkranz Mittelrot übernahm die Patenschaft des Vereins. Damaliger Höhepunkt war der Heimatabend im Festzelt mit Sängerinnen und Sängern vom Süddeutschen Rundfunk. Das Festzelt war überbelegt. Außerhalb mussten zusätzliche Tische und Bänke aufgestellt werden. Beim Umzug durch den Ort marschierten 16 Gastvereine und 20 junge Festdamen mit ihren Festdamenführern Josef Widmann und Hans Weller. Fahnenträger Horst Grau übernahm nach einer feierlichen Zeremonie die Fahne. Nachfolger wurde 1993 sein Sohn Siegfried Grau.
Krankheitshalber musste der 1. Vorsitzende Richard Fritz im März 1968 sein Amt niederlegen. Er wurde für seine Tätigkeit seit 1935, die Neugründung und seine enorme Aufbauarbeit noch am selben Abend zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Nachfolger wurde Wilhelm Fritz.
Beim 60-jährigen Jubiläum vom 12. bis 15. Juli 1968 wurden für Fichtenberg wieder einmal Maßstäbe gesetzt. Der unvergessene Rektor und Heimatforscher Hans Ende schrieb seinerzeit im Kocherboten: „Es war ein rauschendes, erfolgreiches Fest unter Anteilnahme der gesamten Bevölkerung Fichtenbergs, das auch den verwöhntesten Ansprüchen gerecht wurde. Fragt man nach den Ursachen des Erfolges, so kann man die Feststellung treffen, dass das Gesamtprogramm von solcher Vielseitigkeit und Ausgewogenheit war, dass jedermann auf seine Kosten kommen musste. Es wäre ungerecht, eine Veranstaltung als Höhepunkt hervorzuheben, denn all das Gebotene verdiente das Prädikat ausgezeichnet.“
Unter Chorleiter Walter Bass hatte der Gesangverein die größten objektiv messbaren künstlerischen Erfolge. Erwähnt seien die glatte „eins“ für das Madrigal „Amor im Nachen“ und die Noten „gut“ bis „sehr gut“ des Gemischten Chors bei den Gauliederfesten Öhringen 1962, Gaildorf 1967 und Schwäbisch Hall 1972. Man möge sich aber bei der Erinnerung an die „guten alten Zeiten“ nicht täuschen. Vor 50 Jahren hatte der Gesangverein dieselben Probleme, wie viele Chöre heutzutage. Selten schloss eine Mitgliederversammlung ohne die mahnenden Worte von Vorstand oder Chorleiter, jeder Sänger möge ein Werber sein.
Anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Gemischten Chores wurde vom 27. bis 29. Juni 1975 ein Sängertreffen veranstaltet, das allen Teilnehmern noch in guter Erinnerung ist. Ab dem folgenden Jahr teilte der Chorleiter die Dirigentenstelle mit Joachim Bass, der sie 1979 ganz übernahm. Rektor Walter Bass wurde bei der Jahresfeier am 8. Januar 1977 zum Ehrendirigenten ernannt. In der Vorstandschaft vollzog sich der Generationswechsel bereits früher. Nach dem glanzvollen 60-jährigen Jubiläum war der Vorsitzende Wilhelm Fritz Anfang 1969 nicht zu einer Wiederwahl zu bewegen, so dass es beinahe zu einer Führungskrise gekommen wäre. Fast im Familienbetrieb musste Familie Feucht mit Gottlob Feucht (1. Vorsitzender), Albert Feucht (2. Vorsitzender) und Walter Feucht die Vereinsgeschicke lenken. Mit Geduld, Geschick und Sparsamkeit wurde das Vereinsschiff wieder in ruhigere Gewässer gelenkt.
Es war überhaupt die Zeit der großen Sängerfamilien, die teilweise drei bis fünf aktive Mitglieder in den Verein einbrachten, namentlich die Familien Wahl, Widmann, Grau, Rieger, Kühnle, Bass, Fritz. Mit der Neuwahl des Vorstandsgremiums Ernst Fritz, Josef Rieger, Ingrid Rieger, Werner Wahl startete der Verein in eine wahrlich goldene Dekade, auch wenn die Begeisterung beim Wertungssingen des Gauliederfestes 1977 durch die Bewertung mit lediglich „gut“ etwas getrübt wurde. Mehrere im Chor singende Teenager entfalteten eine starke Sogwirkung, sodass der gemischte Chor von 20 jungen Aktiven unter 20 Jahren verstärkt wurde. Das Konzert zum 70-jährigen Bestehen des Vereins war ein großer künstlerischer Erfolg. Gastchöre waren der Frauenchor des Liederkranzes Gaildorf und die langjährigen Freunde vom Bochumer Männergesangverein 1894 Bochum 1.
Im Juni 1978 musste ein neuer Flügel erworben werden. Die Finanzierung ermöglichten unter anderem Sänger Josef Malescek durch den Erwerb des alten Flügels zu einem Preis, der eher Spendencharakter besaß, und die Gemeinde Fichtenberg durch einen namhaften Zuschuss. Aktiver Fürsprecher im Gemeinderat war Hans Ende.
Die Vereinskasse wurde durch den ins Leben gerufenen Maitreff, der heute noch Bestand hat, aufgebessert. Dem Verein gelang es, vom 15. bis 18. Juli 1983 ein 75-jähriges Jubiläum auszurichten, das früheren großartigen Jubiläen in nichts nachstand. 22 Gastchöre waren beim Freundschaftssingen am 17. Juli 1983 musizierende Gäste. Am Festzug, der durch die gesamte Gemeinde geführt wurde, nahmen 47 Gruppen und Vereine teil. Zwölf Festdamen mit Festdamenführer Rainer Widmann führten den Zug an und gestalteten im Festzelt den Eröffnungstanz. Am Jubiläum konnten noch die Ehrenmitglieder Frida Wolf, Hermann Wolf, Karl Ockert, Karl Dieterich, Albert Feucht und Ehrendirigent Walter Bass teilnehmen.
39 Sängerinnen und 36 Sänger waren im Jubiläumsjahr aktiv. Da auch das wirtschaftliche Ergebnis beachtlich war, konnten zukunftsträchtige Investitionen getätigt werden, wie die Restaurierung der Vereinstafel des Krieger- und Veteranenvereins und der Vereinsfahne, die Anschaffung eines Pokalschranks und Tresors sowie von Chorpodesten und neuen Kulissen. Auch alte Notenbücher des Männerchores wurden restauriert und gebunden. Die Leistungen der Chöre verbesserten sich weiter. Bei Kritiksingen des Kochergaus in Gaildorf und Schwäbisch Hall erhielten die Chöre bei zwischenzeitlich strengeren Bewertungskriterien sehr positive Zeugnisse und konnten sich jeweils knapp hinter der absoluten Spitze platzieren.
Eine kleine Geschichte am Rande: Noch im Jahr 1985 wurde in der Mitgliederversammlung ein Antrag auf Namensänderung von „Männergesangverein“ (seit 1908) in „Gesangverein Fichtenberg“ abgelehnt. Zur Änderung in Gesangverein kam es erst im Jahr 1990, wenn auch nicht ganz freiwillig. Die großen Erfolge bei zahlreichen Auftritten und Freundschaftssingen verzeichnete der Verein mit dem Gemischten Chor. Die Sängerinnen konnten am Ende die gebräuchliche Ansage, es trete der Männergesangverein Fichtenberg mit seinem Gemischten Chor auf, nicht mehr hören und drängten darauf, eine Namensänderung vorzunehmen, was am 16. März 1990 dann auch geschah.
Auf Vermittlung des nach Australien ausgewanderten Fichtenbergers Uli Wagner gastierte am 12. September 1985 am Konzertabend anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Gemischten Chores die Liedertafel Arion aus Melbourne. Zum Festabend wurde zusätzlich der Rottalchor gegründet, die Vereinigung der Männerchöre aus Mittelrot, Oberrot und Fichtenberg. Der Männergesangverein Oberrot wurde im Zuge der dieser Kooperation weiterer Pate des hiesigen Gesangvereins. Leider konnte der Besuch aus Australien aus nahe liegenden Gründen nicht erwidert werden. An der Reiselust der Fichtenberger lag dies nicht. Mehrere Sängerreisen zu den Freunden in Bochum, Ferlach/Kärnten und Dellach/Kärnten seien hier erwähnt.
Bei der Jahresfeier im Dezember 1990 trat erstmals der Projektchor Singkreis, der erste der so genannten neuen Chöre in der Umgebung auf die Bühne. Der Name „Singkreis“ war zunächst als Provisorium gedacht. Er besteht allerdings bis heute unter diesem Namen und bestreitet einen wesentlichen Anteil der musikalischen Arbeit des Vereins. 1998 beging der Gesangverein sein 90-jähriges Jubiläum mit einem Liederabend, an dem die Patenvereine, der Rottalchor und die Sängerfreunde aus Dellach/Kärnten teilnahmen.
Nach Riegers Rücktritt im Jahr 2000 wurde der Verein übergangsweise von einem Team geführt, bis zur Erleichterung vieler Mitglieder Hans Traub, bis dahin 2. Vorsitzender und Teamsprecher, sich bereit erklärte, das umfangreiche Amt des 1. Vorsitzenden zu übernehmen. Leider fand sein Beispiel keine Nachahmer. Wie andernorts waren auch in Fichtenberg immer weniger Vereinsmitglieder zur Übernahme eines Ehrenamts bereit. So sah sich Traub unversehens in der Position wieder, nahezu die meisten Vereinsgeschäfte in Personalunion führen zu müssen. Neu ist so etwas indessen nicht. Bereits im Protokoll 1957/1958 heißt es: „Es ist immer ein Jammer, bis man die paar Ausschussmitglieder zusammen bringt. Ich hatte das Gefühl, als wollten diejenigen sagen, die alles ablehnten: ‚Es sollen diese Sache nur andere machen, zum Kritisieren bin ich dann schon da‘.“ Im Protokoll 1956/57 heißt es: „Wer hat denn heute überhaupt mal Zeit – nicht mal der, der keine Arbeit hat – auch da pressiert´s immer mehr.“
Mit der Modernisierung und dem Ausbau der Fichtenberger Gemeindehalle wurden auch die traditionellen Jahresfeiern umstrukturiert. Sie präsentieren sich jetzt als konzertante Winterveranstaltung. Mit gewisser Wehmut wurden die lieb gewordenen Theaterstücke zugunsten der Einladung namhafter Gastchöre bis auf Weiteres ausgesetzt. Als Joachim Bass als Chorleiter im März 2003 ausschied, vollzog sich beim Verein ein neuerlicher Generationswechsel. Mehrere Sängerinnen und Sänger beendeten die aktive Tätigkeit. Peter Braun und Martin Wolf überbrückten das Interim, bis es im Sommer 2003 gelang, die Chorleiterin Asuka Kuroyanagi-Santurri zu verpflichten. Trotz späten Probenbeginns nach der Sommerpause gelang es ihr, den Gedanken der Winterkonzerte schon Anfang 2004 mit neuen Liedern und neuen Impulsen fortzuführen. Mit ihrem Charme, ihrer Geduld und Kompetenz möge es ihr gelingen, die Chöre weiter zu motivieren und zu stabilisieren. Die Zeichen stehen gut. Die Chöre haben bei mehreren Auftritten aufhorchen lassen und für positive Schlagzeilen gesorgt.
Fast zu spät erkannten die Aktiven, dass für ein gesundes Vereinsleben mehr erforderlich ist als lediglich der regelmäßige Singstundenbesuch. Der jetzigen Vereinsführung unter Michaela Ludewig und Stefan Kächele ist es zu verdanken, dass wieder alle Ämter besetzt sind und das notwendige Vereinsmanagement gewährleistet ist.
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